AlmZEIT

Wo ich hinfahre fragen sie mich, meine Antwort kommt prombt „Auf irgendeine Alm in Tirol“. Ein fragender Blick auf meinen großen Rucksack „alleine?“. Ja- alleine- ohne meine Hunde. Mein Rucksack gepackt mit Fragen und Erwartungen begebe ich mich für fünf Tage zu einem Workshop der anderen Art um Antworten, Klarheit und Gleichgesinnte zu finden. Ohne Hunde zu reisen bedeutet für mich alleine sein, nicht vollständig ich zu sein. Was genau geben mir meine Hunde, eine Erkenntnisreise beginnt…

Schon beim Packen folgt Merlin mir auf Schritt und Tritt und ich bekomme misstrauische Blicke von ihm zugeworfen. Sie treffen sofort ins Herz. Schlechtes Gewissen, ja ich werde euch das erste Mal so lange daheim lassen müssen. wollen. tun. Ums tun wird es die nächsten Tage noch mehr gehen. Es ist an der Zeit mehr über mich zu lernen, meine Gedanken, mein Handeln zu ordnen. Jetzt. Um dann mit noch klarerem Kopf, noch ein bisschen souveräner zu sein. Also tue ich es auch für meine Hunde- die verlorene gemeinsame Zeit wird es wert sein.

Wer mich kennt, kennt meine innere Ruhe mit der ich den Hunden begegne. Ruhe und Gelassenheit musste ich lernen, heute ist sie mein Zugang zu unseren Vierbeinern. Im Zug fahren viele Menschen mit mir. Nein, neben mir. Ich bin alleine. Die pure Anwesenheit einer meiner Hunde schenkt mir Selbstbewusstsein. Sinn im Sein. Schon ein paar Mal bin ich mit meinen vier Hunden mit dem Zug verreist- entspannt ist anders. Sind die Einstiege für die Kleinen oft unüberwindbar und der Platz für einen (mit Kinderfahrkarte und Maulkorb ausgestattetem) Berner Sennenhund nicht vorhanden. So stressig, eng und umständlich es ist die Bande plus Gepäck mit auf Zugreisen zu nehmen- ich liebe es.

Abenteuer. Ihre neugierigen Blicke aus dem Fenster, ihr schnuppern an fremden Menschen und das kuscheln mit mir. Es beruhigt wenn nach dem Einstiegsstress, Ruhe einkehrt und sie sich entspannt hinlegen. Sie sind dabei- das schönste überhaupt für meine Hunde und mich!

Angekommen in einem kleinen österreichischen Bahnhof treffe ich auf Sabrina und Hannes, meine zwei Coaches der nächsten Tage in dieser fernen Fremde. Auch sie sind Fremde für mich. Fremde Hunde lerne ich schnell kennen- Kommunikation unter Hunden ist einfach. Hannes überrumpelt mich zur Begrüßung mit einer Umarmung und Küsschen rechts, Küsschen links. Wären wir Hunde, hätte ich bei so viel Nähe von einem Fremden heftige Abwehrreaktionen gezeigt. Kennt man sich doch gar nicht. Ungefragtes Eindringen in meine Individualdistanz mag ich nicht. Hunde sind höfflich, respektieren kleinste Zeichen der Abstandswahrung. Ich habe wohl zu viel mit Hunden zu tun, das mir solch ein menschliches Begrüßungsritual so Unbehagen bereitet. Habe gelernt zu beobachten, Zeichen zu setzen und zu verstehen. Zu Respektieren wenn einer keine Nähe möchte. Wie gern hätte ich in diesem Moment zu einem meiner Hunde geblickt um mich zu erden. Hunde beruhigen unheimlich.

Nach und nach kommen immer mehr fremde Menschen, die Begrüßungen diesmal alle mit respektvollem Abstand, angenehm. Denke ich zu hündisch? Ihre Welt, ist Teil meiner Welt. Ich lerne gerne von diesen großartigen Lehrern des Lebens. Hunde leben im Hier und Jetzt, sind nicht nachtragend. Ich auch nicht als wir im Auto anfange Hannes kennen zu lernen, ohne Abweisung wegen der Begrüßungssituation. Auf der Alm ange-kommen werden wir herzlich von den Besitzern willkommen geheißen und zack sitzen wir zusammen am Esstisch. Auch ziemlich eng, aber ich gewöhne mich dran.

Das Programm, welches sehr offen gehalten ist startet. Warum sind wir da? Runterfahren, Zeit für sich, Ruhe finden. Ich fühle mich ausgeglichen, danke meine lieben Hunde- ihr seit eh meine besten Coaches. Ihr fehlt mir. Fremd unter mir unbekannten Menschen fühle ich mich unwohl, gelangweilt- leer. Liegt ein Hund zu meinen Füßen, reicht mir ein Blick auf sein sich vom Atem hebendes Fell um geerdet zu sein.

Durch die Arbeit mit den vielen verschiedenen Hundecharakteren wurde ich sensibel für nonverbale Kommunikation. Das ist es was mir in meinem Beruf hilft Situationen zu spüren bevor sie passieren. Zu kommunizieren mit der anderen Art ohne denken zu müssen. Kein Lehrbuch, kein Dozent kann einem dieses Gespür lernen. Das Wissen über die Körpersprache der Hunde ist wie Vokabeln. Verstehen und sprechen im Zusammenhang, kann man deshalb noch lange nicht. Der erste Abend neigt sich zu Ende, wir schlafen in einem gemeinsamen Raum.Hündischerweise – für mich kein Problem- habe ich doch mein eigenes Körbchen.

Der zweite Tag beginnt mit einer kleinen Wanderung zu einem Berggipfel. Das Ziel der Übung an körperliche Grenzen zu kommen um sich aufs wesentliche zu konzentrieren. He meine lieben Hunde, dank euch habe ich genug Kondition um nach dieser Tour gerade mal warm gelaufen zu sein. In den wunderschönen Tiroler Bergen geht es immer aufwärts, voraus jener Coach der mich zu Beginn so überrumpelte. Seine ruhige, gelassene Art- strahlte jene Souveränität aus die ich so liebe. Müsste ich ihn mit einem Wort beschreiben so wäre es „lässig“. Ein Blick in den Duden bestätigte meine Wortwahl. „Ungezwungen, leicht, ohne Schwierigkeiten, hervorragend, ausgezeichnet“. Ja genau so ist der Umgang, mit diesem nun nicht mehr so fremden Menschen. Wir reden von Zeit zu Zeit und ordnen so ganz nebenbei ein paar meiner Gedanken aus meinem Rucksack. Wie es mir gefällt fragt er mich. Schön in der Natur unterwegs zu sein, aber ohne meine Hunde fehlt mir etwas. Natur und Hunde sind eins- gehören zusammen. Alleine laufen, ergibt für mich nicht wirklich Sinn.

Unsere Coaches haben Rudelführerqualitäten, wenn ich es hündisch betrachte. Also folge ich und nehme die Situation hin wie sie ist- Hundefrei. Kurzzeitig genieße ich es nicht noch für vier Lebewesen, sondern nur für mich zu denken und zu schauen. Folgen ist leichter wie Führen, Hunde wissen das. Normal führe ich, heute folge ich!

Sonntagmorgen bin ich früh auf und ziehe meine Regenkleidung an um eine Runde in der Stille zu drehen. „Das Wetter und die Verwandtschaft kann man sich nicht aussuchen“, ein Satz den Luise die Almbesitzerin an diesem verregnetem Wochenende immer wieder zum Besten gibt.
Auf meinem Weg treffe ich auf zwei Bergsalamander und beobachte sie eine Weile, bevor ich wieder spüre wie leer ich ohne meine Hunde bin. Irgendwie schon langweilig ohne sie hier rumzulaufen. Ich bleibe stehen, mache ein paar Fotos und beschließe in meine vorrübergehende Menschenmeute zurück zu kehren. Ablenkung ist doch das Beste um die Leere zu füllen. Leere und Stille sind nicht dasselbe, den Stille erlebt sich wunderbar mit Hunden.

Ein Feedbackreiches Gespräch mit der „Rudelführerin“ Sabrina schafft neuen Überblick über meine Ziele. Ihre ehrliche, kreative Art gibt neue Energie durchzustarten. Gegen Mittag endet der Workshop und alle Teilnehmer außer den Coaches und ich verlassen heute die Alm. Zu spät käme ich heute heim, deshalb bleibe ich noch. Ich spüre Bewegungsdrang und laufe durch den Regen, immer weiter den Weg entlang. Es überkommt mich die Erkenntnis des Wochenendes. Ich kannte sie bereits, aber jetzt in diesem Moment wurde es mir deutlichst bewusst. Ich kann nicht mehr ohne Hunde in meinem Leben. Ich bin glücklich darüber bis jetzt alles in meinem Leben richtig gemacht zu haben. Genieße mein Glück- zufrieden zu sein- zu leben!

Danke Hunde, aber wo seit ihr? Ich denke nach was genau mir in diesem Moment fehlt, könnte ein Mensch der mich begleitet diese Leere füllen? Nein. Ich brauche Hunde. Ich vermisse ihre beiläufigen Blicke nach mir, während sie sich schnüffelnd ihren Weg suchen. Spüre wie bei jedem Blick, Zuneigung, Liebe und Respekt vorm anderen mitten ins Herz trifft. Zack da ist er wieder in meinem Kopf- der vorwurfsvolle Blick von Merlin, als ich ohne ihn gehe. Wie seine Rute runterfällt als ich „bis bald“ sage.

Zurück in der warmen Stube ist es ruhig ohne die anderen Workshopteilnehmer. Luise nimmt sich mir mit Großmütterlicher Art an, erzählt mir unterhaltsame Geschichten und versucht mich zu mästen. Der Abend zusammen mit Sabrina und Hannes verläuft vertraut, ehrlich und authentisch.

Am nächsten Morgen war es geplant, gegen Mittag zu fahren, doch es kam anders. Also bin ich mit Luise in den Wald um Pilze „Schwammerl“ zu suchen. Da ich bereits den ganzen Morgen aktiv an ihren Gesprächen teilgenommen hatte, wäre mir Stille lieber gewesen. Doch ich konnte ihr diesen Wunsch nicht abschlagen, nicht ausreden. Beim Laufen stellte sich bald ein gutes Gefühl ein. Ihr einen Gefallen zu tun. Bezahlbar mit dem wertvollsten was wir haben- unserer Zeit. Mit ihren Wanderstöcken kraxelte diese über 70 jährige Frau den nassen Waldhang hinunter, mit den Augen auf der Jagd nach Schwammerl. Rüstig trifft es definitiv. Schön im Alter noch so fit zu sein bzw. nicht zu jammern sondern einfach zu tun.

Nach gefühlten 2 Stunden fing es an, ein Gefühl der Ungeduld- was mache ich hier? Wo sind meine Hunde. Meine Zeit ist ihre Zeit. Durch eine falsch gebuchte Zugrückfahrt ergab sich dieser Zusatztag auf der Alm. Ein Tag an dem ich schon längst wieder bei meinen Hunden hätte sein können. Wir hatten schon so viele Pilze im Stoffbeutel und ich hatte genug vom hüten, vom konzentriert für jemanden fremden da zu sein. Ich fing an zu ertragen, anzunehmen und gegen meine aufkommende Wut zu arbeiten. Cool bleiben… endlich wieder auf dem Heimweg angekommen, erzählte mir Luise wie froh sie ist dass ich mit ihr in den Wald gegangen bin. Ihr Mann geht nicht gern in die Pilze und alleine ist aufgrund eingeschränkter Gesundheit nicht mehr möglich. Tapfer hat sie sich durch das Gebüsch den berg hochgekämpft. Ich wollte nur noch eins- nach Hause. Jetzt.

Auf der Alm angekommen sah ich dann wie viel Freude sie an den gesammelten Pilzen hatte und ihr Lachen war so herzlich- das meine Wut und meine Ungeduld verging. Sie bedankte sich immer wieder so voller Freude, dass ich froh wurde ihr meine Zeit geschenkt zu haben.

Im Nachgang war es eine verdammt gute Übung, einfach anzunehmen, geduldig zu sein. Ruhe zu finden. Schaue ich die Fotos an, lache ich und weiß es war richtig durchzuhalten. Das war wohl meine Lektion die ich zu lernen hatte.

Ich habe mich auf ein Wochenende ohne Plan eingelassen, mal Führung abgeben und einiges lernen dürfen. Auch ein paar österreichische Begriffe sind hängen geblieben. Stehen nun für mich in Verbindung mit Gemütlichkeit auf der Alm. „Fein“, für mich bis vor kurzem hauptsächlich ein Lobwort für meine Hunde. Nun bekommt dieses Wort noch mehr Herzlichkeit. Übersetzten sie es mir doch mit- angenehm, kuschelig, wohlfühlig, gekoppelt mit körperlichem Empfinden. Also in der Tat ein „feines“ Wort. Danke. Nun lobe ich noch lieber mit diesem Wort!
„Passt scho“ – Für mich ein alles ok, mir geht’s gut damit. Irgendwie liebe Worte die sicher in meinem Sprachgebrauch noch eine Weile einfließen werden. Zwei Wörter die vielleicht auch wegen ihrer weichen Aussprache mir sofort Lässigkeit, Gelassenheit vermitteln.

Gelassen war auch Franz, der Mann von Luise. Als Hannes versehentlich Kaffee mit kaltem Wasser anrührt, kommt von ihm nur ganz trocken der Kommentar „Ah blasen brauchst da ah nimma“, als Hannes seinen eigenen Kaffee anpustet. Was haben wir gelacht! Und ich bewundere wie Mimiklos Franz den kalten Kaffee vorher getrunken hat und sich in keinster Weise beschwerte. Man kann so vieles lernen, auch Gelassenheit.

Und so beobachte ich all die gehetzten, gestressten Menschen dir neben mir Zug fahren. Beim Umsteigen laufe ich in aller Ruhe zwischen all dem Gewusel hindurch und bin so froh Ruhe in mir zu haben.

Jetzt hier im Zug auf der Rückfahrt ist die Vorfreude groß. Weil ich weiß, dass meine Hunde nicht so viel an mich gedacht haben, wie ich an sie. Waren sie doch bei Herrchen in allerbesten Händen. Ich weiß sie werfen mir nicht vor, dass ich ohne sie gefahren bin, sondern freuen sich einzige über meine Ankunft im Hier und Jetzt.

Beide Coaches sind sich einig- ich sollte schreiben, ja sogar regelmäßig. Einen Blog. Mit diesem Text beginnt mein Schreiben. Nicht weil ich es soll, sondern weil ich es möchte und gerne meine Gedanken aufschreibe. Dieser Text, das weiß ich bereits wird anders sein wie all die folgenden. Dieser Text ist Resultat eines erfolgreichen, mit Leere gefülltem Wochenende auf irgendeiner Alm in Tirol.

Danke Sabrina, Danke Hannes,
ich bin euch gefolgt und konnte an mir arbeiten noch gelassener zu werden.Danke denn das ist es, was meine Beziehung zu meinen Hunden so wertvoll macht. Unsere Stille inmitten der hektischen Welt.

Und danke Andre, dass du als Herrchen mir diese Erfahrung ermöglicht hast während ich meine Schätze gut versorgt wusste.

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